Band 4:
Hiller, D.A. (1991): Elektronenmikrostrahlanalysen zur Erfassung der Schwermetallbindungsformen in Böden unterschiedlicher Schwermetallbelastung. 172 S., 48 Abb., 50 Tab., 1 Farbt., Preis: 13,- EUR.
Zusammenfassung Band 4
Hiller, D.A. (1991): Elektronenmikrostrahlanalysen zur Erfassung der Schwermetallbindungsformen in Böden unterschiedlicher Schwermetallbelastung.
Für die ökologische Wirksamkeit von Schwermetallen in Böden ist neben der spezifischen Toxizität der verschiedenen Elemente und ihrer Verbindungen vor allem die Bindungsform von Bedeutung, die in starkem Maße vom Gesamtgehalt der einzelnen Metalle sowie vom Stoffbestand der Böden, der Bodenreaktion und den Redoxbedingungen beeinflußt wird.
Für die Erfassung der Schwermetallbindungsformen wurden bisher vor allem chemische Extraktionsverfahren verwendet, wobei die verschiedenen in der Literatur vorgeschlagenen Extraktionsverfahren zum Teil sehr divergente Ergebnisse aufzeigen und eher operational definierte Fraktionierungsergebnisse liefern.
Um weitere Informationen zu den SM-Bindungsformen zu erhalten und eine Überprüfung der Richtigkeit naßchemischer Extraktionsverfahren zu ermöglichen, wurden mit einer Mikrosonde (EMA) Messungen im Mikrobereich (Dünnschlffle) von weitgehend ungestört entnommenen Bodenproben durchgeführt. Mit einem Laser-Mikrosonden-Massen-Analysator (LAMMA) erfolgten ergänzende Untersuchungen an isolierten Bodenpartikeln (Konkretionen). Es zeigte sich jedoch, daß dieses Analysenverfahren weniger gut geeignet ist, um einen nennenswerten Informationszugewinn über die Bindungsformen der Schwermetalle in Böden zu erhalten.
Für die Untersuchungen mit der Mikrosonde wurden - durch die hohe relative Nachweisgrenze der Schwermetalle bei dieser Analysenmethode bedingt - vor allem stärker belastete Bodenproben verwendet. Mit den 19 ausgewählten Bodenproben wird ein breites Spektrum unterschiedlichster Bodeneigenschaften abgedeckt. Die pH-Werte variieren von 3,9 bis 7,4, die Gehalte an organischem Kohlenstoff von 0,2 bis 7,35%, die Tongehalte von 5-50% und die Carbonatgehalte von 0-17,8%. In ähnlicher Weise streuen die anderen Bodenkennwerte.
Mit EMA-Punktmessungen an verschiedenen Bodenkomponenten (Streustoffe, Huminstoffaggregationen, Tonminerale, pedogene Oxide, Carbonate, lithogene Minerale u.a.m.) wurden über 20.000 Daten erhoben. Die Interpretation der Meßergebnisse wurde durch Elementverteilungsbilder, welche die Verteilung der untersuchten Elemente in Mikrobereichen (2-250 µm Durchmesser) der Probe sichtbarmachen, und Step-Scan-Analysen, die den Konzentrationsverlauf von Elementen entlang bestimmter Meßstrecken (z.B. 2-300 µm Länge) aufzeigen, erleichtert. Jedoch treten durch die im Vergleich zur Atom-Absorptions-Spektrometrie wesentlich höheren "relativen" Nachweisgrenzen der EMA vor allem in unbelasteten Bodenproben Nachweisprobleme auf. Es konnte aber auch für wenig oder unbelastete Böden gezeigt werden, daß die Schwermetalle nicht gleichmäßig im Boden verteilt sind, sondern lokale Zentren der Anreicherung neben Zonen mit (für die Mikrosonde) nicht nachweisbaren SM-Gehalten bestehen. Von den untersuchten Bodenkomponenten sind für die Schwermetallbindung vorwiegend die organische Substanz, pedogene Fe- und Mn-Oxide sowie Dreischichttonminerale von Bedeutung.
Mikrosondenmessungen an der organischen Substanz belasteter Böden ergaben teilweise sehr hohe Kupfer- (bis 13.030 mg/kg), Zink- (bis 48.380 mg/kg), Cadmium- (bis 2.090 mg/kg) und Bleigehalte (bis 192.760 mg/kg). In Konkretionen und Rostflecken pedogener Fe- und Mn-Oxide wurden häufig höhere SM-Gehalte (Co: bis 10.220 mg/kg; Ni: bis 9.200 mg/kg; Cu: bis 12.990 mg/kg; Zn: bis 149.590 mg/kg; Cd: bis 2.830 mg/kg und Pb: bis 169.100 mg/kg) als in den Huminstoffaggregationen und der silicatischen Bodenfeinsubstanz gemessen. Die höchsten SM-Gehalte, die durch EMA-Punktanalysen an der silicatischen Bodenfeinsubstanz nachgewiesen wurden, steigen von Nickel (880 mg/kg), Cobalt (1.290 mg/kg) und Cadmium (1.570 mg/kg) über Kupfer (7.390 mg/kg) zu Zink und Blei (33.290 bzw. 36.230 mg/kg). Zink und Blei weisen in den untersuchten Böden jeweils auch die höchsten SM-Gesamtgehalte auf.
Die unterschiedliche Neigung der Schwermetalle, sich an Huminstoffen anzureichern, kann - in Ubereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Autoren - in der Affinitätssequenz Cu > Pb ( Cd > Zn ( Ni > Co dargestellt werden. Dabei zeigt das zu den mobilen Elementen zählende Cadmium gegenüber Kupfer ein variableres, im Vergleich zu Blei ein z.T. sehr ähnliches Verhalten. In stärker versauerten humosen Oberbodenhorizonten steht die Blei- und Cadmiumbindung durch die organische Substanz offensichtlich in starker Konkurenz zu der durch mineralische Bodenkomponenten, insbesondere zu der Bindung durch Fe-Mn- bzw. Mn-Fe-Oxide. Zink zeigt zu der organischen Substanz der Böden meist eine deutlich geringere Affinität als Kupfer, Blei und Cadmlum. In Böden die durch Klärschlämme mit Schwermetallen belastet wurden, liegt Zink offensichtlich zu relativ hohen Anteilen in organischen Bindungen und damit in einer relativ mobilen Form vor.
Die geringste Neigung, sich an Huminstoffen anzureichern, zeigen Nickel und Cobalt. Die Schwermetallgehalte der organischen Substanz - insbesondere die Cu-Gehalte - weisen dabei in verschiedenen Böden signifikante Beziehungen zu den Gehalten an organisch gebundenem Calcium auf.
Statistische Auswertungen der Ergebnisse von EMA-Punktmessungen sowie Step-Scan-Analysen lassen darauf schließen, daß Schwermetalle in Huminstoffaggregationen nicht nur als metallorganische Komplexe, sondern auch (insbesondere Blei) als organische Metall-Phosphat-Komplexe gebunden sein können.
Zu der in den Bodendünnschliffen teilweise vorgefundenen Holzkohle zeigen die Schwermetalle eine ähnlich verlaufende Anreicherungsaffinität wie zu den Huminstoffaggregationen. Dies unterstreicht, daß auch Kohlepartikel wesentliche Adsorbenten für Schwermetalle in Böden sein können.
Deutliche Schwermetallanreicherungen konnten auch in Wurzelresten festgestellt werden. Die SM-Akkumulationen sind zusammen mit einer Calciumanreicherung in der Epidermis bzw. im äußeren Rindenparenchym lokalisiert. Wesentlich geringere bis nicht nachweisbare SM-Gehalte im Inneren der Wurzeln deuten an, daß möglicherweise durch physiologische Eliminierungsprozesse bei der lonenaufnahme oder durch Festlegung nach Komplexierung eine verminderte Translokation vor allem der toxischen Schwermetalle in das Innere der Wurzeln (und den Sproß) erfolgte. Messungen an Sklerotien von Pilzen ergaben, daß diese - zumindest auf belasteten Standorten - auch im Innern der Dauerfruchtkörper hohe SM-Gehalte (vor allem Blei mit bis zu 49.700 mg Pb/kg) aufweisen können.
Neben der organischen Substanz binden in Böden - besonders in Unterbodenhorizonten - vor allem die pedogenen Fe- und Mn-Oxide Schwermetalle. In der Regel liegen aber die Oxide nicht in isolierten und gut abgrenzbaren Fraktionen (Mn-Oxide, schlecht kristalline bzw. kristalline Fe-Oxide) vor. Meist sind es Fe-Mn- bzw. Mn-Fe-Mischoxide, die in besonders vielfältigen Übergängen häufig in Form von Konkretionen und Flecken in Böden aggregiert sind. Fe-reiche Konkretionen enthalten meist nur wenig Mangan. Im Vergleich hierzu besitzen Mn-reiche Konkretionen stets auch deutlich höhere Fe-Gehalte. Wie besonders Step-Scan-Analysen anschaulich zeigen, sind die Schwermetalle zu einem großen Anteil im Innern von Konkretionen okkludiert. Offenbar kommt es nach einer anfänglichen Adsorption an der Oberfläche von Oxiden durch Dfflusionsprozesse zu einem Einwandern von Schwermetallen in das Innere von Oxidpartikeln. Dies bedeutet, daß die in den Konkretionen gebundenen Schwermetalle weitgehend immobil gebunden sind. In hydromorphen Böden ist aber mit einer verstärkten Freisetzung von Schwermetallen zu rechnen, wenn es nach einer Wassersättigung zu einer reduktiven Auflösung der Oxidausfällungen kommt.
Vor allem bei Fe-Oxiden beeinflußt offenbar der Kristallinitätsgrad die SM-Akkumulation. Gut kristalline Oxide enthaltende Konkretionen und Rostflecke, in denen der Fe-Gehalt 50% übersteigt, weisen im Vergleich zu den weniger gut kristallinen Oxidausfällungen (Fe-Gehalte < 50%) - mit Ausnahme von Zink - geringere Schwermetallgehalte auf. Besonders ausgeprägte SM-Anreicherungen in Mn-haltigen Konkretionen und Rostflecken weisen darauf hin, daß Manganoxide ein stärker ausgeprägtes Akkumulationsvermögen für Schwermetalle als Fe-Oxide besitzen. Die EMA-Analysen bestätigen die bereits mehrfach in der Literatur dargestellte starke Affinität von Cobalt zu Mn-Oxiden. Auch Nickel neigt eher dazu, sich an Mn- als an Fe-Oxiden anzureichern. Kupfer wird zwar vor allem in Oberböden dominierend von der organischen Substanz, daneben aber vor allem durch pedogene Oxide gebunden. In Unterbodenhorizonten ist Kupfer dagegen fast ausschließlich in - meist weniger gut kristallinen - Fe- und Mn-Oxiden akkumuliert und liegt häufig zu einem großen Anteil im Innern von Konkretionen okkludiert vor. Wie auch bei anderen Autoren beschrieben zeigt Zink, im Vergleich zu den anderen Schwermetallen, eine ausgeprägte Affinität zu gut kristallinen Eisenoxiden. Zusätzlich kann es in beträchtlichem Maße in Dreischichttonmineralen eingelagert sein. Auf geogen belasteten Böden kann Zink zu einem bedeutenden Anteil in Glimmermineralen vorliegen. Das bei der Verwitterung der Minerale freigesetzte Zink wird dann in den Fe-Oxidkrusten, die die Minerale überziehen, gebunden. Die Krusten aus Eisenoxiden enthalten häufig mehr als das zehnfache des Zn-Gehaltes, der ursprünglich in den Mineralen vorlag.
Bei Cadmium deuten Akkumulationen in Mn-haltigen Konkretionen, die den durchschnittlichen Cd-Gesamtgehalt der Bodenproben um das tausendfache übersteigen können, ebenfalls aut eine ausgeprägte Cd-Affinität zu Mn-Oxiden hin.
Blei wird ebenfalls in starkem Maße durch pedogene Oxide angereichert. Dabei wird die Pb-Bindung an Fe- und Mn-Oxide offensichtlich besonders durch Phosphat gefördert. Stöchiometrische Berechnungen anhand der EMA-Ergebnisse lassen es dabei nicht als wahrscheinlich erscheinen, daß definierte Bleiphosphate in den Oxiden vorliegen. Offensichtlich findet eine Bleiadsorption über Phosphat-Brücken statt.
Mn-Oxide stellen meist stärkere Akkumulatoren für Schwermetallkationen als Fe-Oxide dar. Fe-Oxide wiederum reichern anionische Elemente (Phosphor, Schwefel) in wesentlich höherem Maße als Mn-Oxide an. Aufgrund der wesentlich geringeren Gehalte an Manganoxiden im Vergleich zu den Eisenoxiden in Böden sind die Schwermetalle mengenmäßig i.d.R. zu einem größeren Teil in Fe-Oxiden akkumuliert.
Verglichen mit den SM-Gehalten der organischen Substanz und der Fe-Mn-Oxide sind die in primären und secundären Silicaten gebundenen SM-Mengen (von geogen belasteten Standorten abgesehen) meist gering. Zink und Nickel konnten vereinzelt in Feldspäten und Schichtsilicaten nachgewiesen werden. Offensichtlich können diese beiden Elemente aufgrund ihres geringen lonendurchmessers und anderer Eigenschaften eher in Silicatgitter eingebaut werden als Cobalt, Kupfer, Cadmium und Blei. Die letztgenannten Schwermetalle wurden meist in Verbindung mit Eisen- und/oder Manganoxidbelägen auf den Silicaten nachgewiesen. Im Durchlichtmikroskop lassen häufig beoachtete schwach rötliche Verfärbungen auf den analysierten Mineralen vermuten, daß die gemessenen Schwermetalle nicht in den Kristallgittern, sondern in den Ausfällungen pedogener Oxide gebunden sind, die die Minerale überziehen. An lithogenen Silicaten ohne erkennbare Oxidüberzüge konnten nur vereinzelt Schwermetalle gefunden werden. Bei einzelnen Silicatanalysen wurden nahezu äquimolare Gehalte an Schwermetallen und Schwefel gemessen. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um kleinräumige SM-Sulfid-Einschlüsse in den Silicaten. Sulfidische Cu- und Cd-Einschlüsse konnten auch in Ca-Carbonaten festgestellt werden. Weiterhin wurde in einer carbonathaltigen, stark Blei belasteten Probe aus der Okeraue Pb-Carbonat nachgewiesen. In mit belasteten Siedlungsabfällen gedüngten Böden kann Zink ebenfalls als Zn-Carbonat gebunden vorliegen. Auch in einem Apatitpartikel wurden mit 560 mg/kg Co/kg, 1.420 mg Cu/kg, 17.800 mg Pb/kg und 34.340 mg Zn/kg hohe Schwermetallgehalte gemessen.
Insgesamt machen die EMA-Untersuchungen deutlich, daß anthropogen zugeführte Schwermetalle vorwiegend von der organischen Substanz und den pedogenen Oxiden - in geringerem Maße auch von Tonmineralen - gebunden werden. Wahrscheinlich kommt es im Verlauf längerer Zeiträume wohl aufgrund von Diffusionsprozessen in das Innere der Oxide und Tonminerale - zu einer starken Metall-Festlegung, welche die Verfüg- und Verlagerbarkeit der Schwermetalle stark mindert.
Insgesamt zeigen die erhaltenen Ergebnisse, daß die Gehalte und Bindungsformen der Schwermetalle in Abhängigkeit von der Bodenbelastung und den jeweiligen Bodeneigenschaften starke Schwankungen und eine hohe Variabilität im Mikrobereich der Böden aufweisen. Mit Hilfe der EMA-Untersuchungen ist es möglich, neue Erkenntnisse über die Verteilung und Bindungsformen der Schwermetalle in Böden zu gewinnen.