Band 7:
Schlinkert, A. (1992): Jahreszeitliche Dynamik der Inhaltsstoffe von Bodenlösungen aus A-Horizonten unterschiedlicher Böden in Abhängigkeit von Bewirtschaftungsweise und Standorteigenschaften. 271 S., 54 Abb., 66 Tab., Preis: 16,- EUR.
Zusammenfassung Band 7
Schlinkert, A. (1992): Jahreszeitliche Dynamik der Inhaltsstoffe von Bodenlösungen aus A-Horizonten unterschiedlicher Böden in Abhängigkeit von Bewirtschaftungsweise und Standorteigenschaften.
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Erfassung der jahreszeitlichen Dynamik gelöster organischer Substanzen in Abhängigkeit von verschiedenen Einflußfaktoren wie Düngung, Bewirtschaftungsweise und Witterung sowie Stoffbestand der untersuchten Böden. Gleichzeitig sollten Änderungen in der chemischen Zusammensetzung der Bodenlösung miterfaßt und zu diesen Einflußfaktoren sowie zur Dynamik der gelösten organischen Substanz in Beziehung gesetzt werden.
Uber einen Zeitraum von zwei Untersuchungsjahren (1988 und 1989) wurden daher auf neun verschiedenen Standorten kontinuierlich Bodenlösungsproben nach unterschiedlichen Methoden aus A-Horizonten entnommen und analysiert. Neben den Gehalten an gelöster organischer Substanz sowie den pH-Werten wurden in den Bodenlösungen stets alle aus pflanzenphysiologischen und ökologischen Aspekten relevanten Kationen und Anionen bestimmt. Um eine möglichst vollständige Ermittlung der Gehalte von den im Bodenwasser gelösten Stoffen im Jahresverlauf zu gewährleisten, wurden die Versuchsflächen (1988 und 1989) in durchschnittlich dreiwöchigen Zeitabständen beprobt.
Die neun Untersuchungsstandorte lagen auf einem konventionell (Frankenforst) sowie auf einem biologisch-organisch (Wiesengut) bewirtschafteten Versuchsgut der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn. Die Untersuchungsflächen umfaßten sowohl mehrere unterschiedlich bewirtschaftete Acker- (5) als auch Grünlandstandorte (2) sowie je einen Laub- und Nadelwaldstandort. Ferner wurde die Wirkung verschiedener organischer Dünger, wie Gülle, Stallmist, Kompost und Gründüngung, auf die Zusammensetzung der Bodenlösung untersucht.
Zur Gewinnung der Bodenlösung wurden stets drei, hinsichtlich des Extraktionsprinzips sehr unterschiedliche Verfahren verwendet. Dabei handelte es sich um folgende Methoden:
- Absaugen der Bodenlösung mit Hilfe keramischer Saugkerzen (P80),
- Zentrifugation feldfrischen Bodenmaterials,
- Herstellung des Bodensättigungextraktes aus feldfrischem Bodenmaterial.
Wie die Ergebnisse einer vergleichenden Gegenüberstellung zeigen, führt jede der verwendeten Extraktionsmethoden zu unterschiedlichen Ergebnissen. Bei der Verwendung keramischer Saugkerzen ist infolge von Ad- und Desorptionsprozessen mit wesentlichen Verfälschungen der Sickerwasserproben und daher mit beträchtlichen Abweichungen von den beiden übrigen Methoden zu rechnen. So wurden durch das keramische Material der Kerzen der pH-Wert und die DOC-Gehalte sowie die Gehalte an Al, Zn, Cu, Pb und PO4 verändert. Die Zentrifugationslösungen und der Bodensättigungsextrakt waren einander in der Zusammensetzung relativ ähnlich. Lediglich die im Vergleich zu den beiden anderen Methoden regelmäßig sehr niedrigen pH-Werte der Zentrifugationslösungen deuteten auf methodisch bedingte Abweichungen hin. Ferner war die Zentrifugationsmethode durch den entscheidenden Nachteil geprägt, daß mit ihrer Hilfe nur eine geringe Menge an Probelösung extrahiert werden konnte. Das extrahierbare Lösungsvolumen stellt damit stets einen limitierenden Faktor für die Verwendung dieser Methode dar. Als Routinemethode zur Erstellung von Jahresverlaufskurven für die Gehalte der im Bodenwasser gelösten Stoffe hat sich lediglich der Bodensättigungsextrakt bewährt. Dieser ermöglicht am ehesten eine von den Witterungseinflüssen unabhängige Entnahme der Bodenlösung. So war es bei Bodenfrost bzw. in sehr trockenen Perioden nicht möglich, Bodenlösungsproben mit Hilfe der Saugkerzenmethode oder der Zentrifugationsmethode zu gewinnen. Die Auswertung der Analysenergebnisse bezog sich deshalb ausschließlich auf die mit Hilfe des Bodensättigungsextraktes gewonnenen Bodenlösungen.
Wie die Untersuchungsergebnisse zeigen, unterliegen die Gehalte an gelöstem organischen Kohlenstoff (DOC) in Böden einer jahreszeitlichen Dynamik. So ist mit der Zersetzung organischer Streu- und Reststoffe im Herbst ein Anstieg der DOC-Gehalte zu beobachten. Verstärkt in Lösung gehende organische Komplexbildner führen dann zu einer Mobilisierung von Spurenelementen wie Mangan und Zink, aber auch von potentiell toxischen Schwermetallen wie Cadmium und Blei. Durch organische Komplexbildner induzierte Mobilisierungseffekte waren in erster Linie auf dem durch hohe Schwermetall-Gesamtgehalte geprägten Grünlandstandort im Deichvorland der Sieg (Wiesengut) zu beobachten, während die Schwermetallgehalte in den Bodenlösungen der Frankenforst-Standorte stets auf einem sehr niedrigen Niveau lagen und keine größeren Schwankungen erkennen ließen. Auf den Grünlandstandorten wurden mit zunehmenden DOC-Gehalten auch erhöhte Phosphatgehalte - vermutlich organisch gebundene Phosphate - sowie deutlich angestiegene Al-Gehalte gemessen. Mit Hilfe korrelationsstatistischer Analysen ließen sich die beobachteten positiven Beziehungen zwischen den DOC- und den Schwermetall-Gehalten belegen. Dies gelang in gleicher Weise für Aluminium und Phosphat.
Eine Gegenüberstellung der Ergebnisse für konventionell bewirtschaftete Ackerflächen (Frankenforst) auf der einen und biologisch-organisch bewirtschaftete (Wiesengut) auf der anderen Seite zeigt, daß die Wirtschaftsweise deutliche Auswirkungen auf die Stoffdynamik der Böden besitzt. Die im Vergleich zu den konventionell bewirtschafteten Ackerflächen des Frankenforstes deutlich niedrigeren pH-Werte der biologisch-organisch bewirtschafteten Wiesengut-Flächen haben nicht nur höhere Spurenelementgehalte in den Bodenlösungen, sondern auch höhere Gehalte an toxisch wirkenden Schwermetallen - wie z.B. Cadmium - zur Folge. Dies gilt in besonderem Maße für die mäßig sauren Außendeichsflächen, die zusätzlich durch sehr hohe Schwermetallgesamtgehalte geprägt sind.
Der Verzicht auf die im konventionellen Ackerbau übliche Düngung "nach Entzug" führt zu niedrigen Gehalten an verfügbaren gelösten Nährelementen wie K, Ca, Mg und P. Auch die Na-Gehalte weisen deutlich niedrigere Werte auf. Weitere Untersuchungen zeigten, daß auch die Nährstoffvorräte der Böden ein dementsprechend niedriges Niveau besitzen. Während die Böden des Frankenforstes für die Nährstoffe Kalium und Phosphor in die Versorgungsstufen C und D bzw. E einzuordnen sind, also z.T. bereits überversorgt sind, müssen diejenigen des Wiesengutes in die Stufen A bzw. B eingestuft werden.
Durch gelöste organische Substanzen kann einerseits eine Mobilisierung von Mikro-(Mn, Zn) und Makronährelementen (P, K, Mg) wie auch von einigen Schadelementen (Cd) bewirkt werden. Andererseits war aber auch eine immobilisierende Wirkung für einige andere Schadelemente (Pb, Al) festzustellen. Durch eine Stallmist- oder Kompostdüngung und z.T. auch durch eine Gründüngung wird der Gehalt an organischer Substanz und an einigen Nährelementen (N, P ,K, Mg) in der Bodenlösung deutlich erhöht. Diese signifikante Anhebung der gelösten und damit verfügbaren Nährstoffgehalte ist aber nur von kurzer Dauer. Die alleinige Ausbringung organischer Dünger kann damit eine langfristige Nährstoffversorgung der Böden des Wiesengutes nicht sicherstellen. Auf der anderen Seite führt die Ausbringung organischer Dünger zu einer Absenkung der Gehalte an potentiell toxischem Blei in der Bodenlösung sowie zum Teil auch zu einer Immobilisierung von Aluminium.
Neben einer deutlichen Mobilisierung von Cadmium war nach organischen Düngungsmaßnahmen stets auch ein beträchtlicher Anstieg der Nitratgehalte in der Bodenlösung auf Werte weit oberhalb des Trinkwassergrenzwertes zu beobachten. Die höchsten Nitratwerte wurden dabei nach Ausbringung der Güllegaben auf den konventionell bewirtschafteten Ackerstandorten festgestellt. Aber auch auf den biologisch-organisch bewirtschafteten Flächen stiegen die Nitratgehalte in der Bodenlösung nach Kompost- und Stallmistdüngung erheblich an. Vergleichbare düngungsabhängige Effekte konnten auch für die gelösten Sulfatgehalte festgestellt werden.
Der Vergleich der Analysenergebnisse beider Waldstandorte veranschaulicht, daß der Fichtenstandort bereits durch die Auswirkungen der starken Bodenversauerung geprägt ist. Obwohl dieser Boden äußerst niedrige Nährstoffvorräte aufweist, wurden in der Bodenlösung extrem hohe Gehalte an Alkali- und Erdalkaliionen gemessen. Aufgrund des starken Versauerungsgrades bei gleichzeitig hohen Gehalten an organischen Komplexbildnern in der Bodenlösung findet eine fortschreitende Silicatzerstörung und eine damit einhergehende Nährstofffreisetzung statt. Die sehr hohen Gehalte an Anionen starker Mineralsäuren (SO4, NO3) sind ebenfalls ein Anzeichen für den hohen Aciditätsgrad dieses Standortes. Gleichzeitig lassen sie auf eine erhebliche Deposition von Luftschadstoffen durch Interzeption schließen.
Anhand der lonenbilanzen ließen sich charakteristische Unterschiede zwischen den Untersuchungsstandorten hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung der Lösungsphase nachweisen. Im Gegensatz zu den Bodenlösungen der Wiesengut-Standorte (pH (CaCI2) 5,2 - 6,3) waren diejenigen des Frankenforstes (pH (CaCI2) 6,4 - 7,2) durch eine wesentlich höhere Summe an lonenäquivalenten geprägt. Calcium stellte dabei deutlich vor Magnesium das dominierende Kation dar, während Nitrat und Sulfat - in dieser Reihenfolge - den Hauptanteil der Anionenäquivalente ausmachten. In der Lösungsphase der Wiesengut-Standorte war ebenfalls Calcium das dominierende Kation, jedoch trat Aluminium hier an die zweite Stelle vor den übrigen Kationen. Auf der Anionenseite dominierte dann Sulfat vor Nitrat. In der Bodenlösung der beiden Grünlandstandorte machte Aluminium sogar den Hauptanteil der Kationenäquivalente aus. Mit Ausnahme des sauren Nadelwaldstandortes war die Differenz der Kationen/Anionenäquivalente stets durch ein deutliches Anionendefizit, welches vor allem auf dem Vorhandensein organischer Anionen beruhte, gekennzeichnet.
Mit Hilfe korrelationsstatistischer Analysen konnte für die Gesamtheit aller Untersuchungsstandorte eine deutliche Abhängigkeit der Schwermetallgehalte in der Bodeniösung vom pH sowie den DOC-Gehalten gezeigt werden. So werden die Gehalte an Mangan, Zink und Cadmium wesentlich durch den pH-Wert bestimmt, während Kupfer und Blei in ihrer Löslichkeit vornehmlich vom Gehalt an gelösten organischen Komplexbildnern abhängen.
Die auf der Grundlage chemischer Modellrechnungen für Aluminium und einige Schwermetalle ermittelten Speziesverteilungen in der Bodenlösung zeigten ähnliche Ergebnisse zur mobilitätsbestimmenden Wirkung der gelösten organischen Komplexbildner. Demnach liegen Mangan, Kupfer und Blei in erster Linie als metallorganische Komplexe, Zink und Cadmium dagegen als freie lonen vor. Obwohl Mangan im allgemeinen eine äußerst geringe Affinität zu organischen Komplexbildnern aufweist, deuten die berechneten Mn-Speziesverteilungen auf einen erheblichen Anteil organisch komplexierten Mangans in der Bodenlösung.
Anhand der berechneten Speziesverteilungen konnte schließlich eine Affinitätsreihenfolge der einzelnen Schwermetalle zu den komplexierend wirkenden Fulvosäuren aufgestellt werden: Pb > Mn > Cu > Zn > Cd > Al. Diese Reihenfolge wird nur in geringem Maße von den Standorteigenschaften beeinflußt und besitzt somit für alle fünf im Rahmen der Speziierungsberechnungen berücksichtigten Standorte Gültigkeit. Für die meisten Schwermetalle stimmt diese Reihenfolge gut mit der in der Literatur beschriebenen Reihe der Komplexbildungsstärke dieser Metalle überein.
Insgesamt belegen die erhaltenen Ergebnisse in eindeutiger Weise die löslichkeits- und mobilitätsbestimmende Wirkung der gelösten organischen Substanz für Nähr- und Spuren-, teilweise aber auch für Schadelemente. Damit kommt der gelösten organischen Substanz neben dem pH sowie dem Humus (Corg.)- und dem Tongehalt eine zentrale Bedeutung für die ökotoxikologische Beurteilung von Böden zu.