Band 9:
Schöbel, Th. (1993): Kennzeichnung der Stoffzusammensetzung tiefreichend humoser Sandböden im Westmünsterland und Ermittlung von Kriterien zur bodentypologischen Abgrenzung. 260 S., 15 Abb, 77 Tab., Preis: 16,- EUR.
Zusammenfassung Band 9
Schöbel, Th. (1993): Kennzeichnung der Stoffzusammensetzung tiefreichend humoser Sandböden im Westmünsterland und Ermittlung von Kriterien zur bodentypologischen Abgrenzung.
Im Zuge der Bodenkundlichen Landesaufnahme Nordrhein-Westfalens im Maßstab 1: 25000 bzw. später 1: 50 000 durch das Geologische Landesamt traten auf landwirtschaftlich genutzten sandigen Böden des Westmünsterlandes Probleme bei der systematischen Zuordnung auf. Betroffen waren braune Böden mit über den Pflughorizont hinausgehenden überdurchschnittlichen Gehalten an organischer Substanz, deren Genese im Gelände nicht nachvollzogen werden konnte, so daß eine genaue Klassifizierung nicht möglich war. Aus den morphologischen Merkmalen der Bodenprofile konnte nicht abgeleitet werden, ob die tiefreichend humosen Horizonte anthropogen beeinflußte Oberbodenhorizonte oder durch natürliche Verlagerungsvorgange beeinflußte Unterbodenhorizonte sind.
Diese Arbeit sollte primär mit laboranalytischen Methoden versuchen, nicht oder wenig vom Menschen beeinflußte Podsole bzw. Braunerden von meist historisch anthropogen beeinflußten Kultosolen, hier hauptsächlich den im Untersuchungsgebiet weit verbreiteten Plaggeneschen und tiefreichend bearbeiteten Böden, zu differenzieren, um im Anschluß daran systematisch fragliche Böden der einen oder anderen Gruppe zuordnen zu können.
Ein weiterer Ansatz war die ergänzende Auswertung historischen Dokument- und vor allem Kartenmaterials beispielhaft für vier ausgewählte Höfe, um zusätzliche Informationen über die Nutzungsentwicklung der Betriebsflächen zu erhalten und um daraus Rückschlüsse auf die im Untersuchungsgebiet üblichen historischen Bewirtschaffungsverfahren zu ziehen. Es wurden 26 Bodenprofile dreier verschiedener Gruppen umfassend morphologisch und laboranalytisch untersucht. Davon gehörten acht zu der wenig anthropogen beeinflußten Gruppe der Podsole/Braunerden und sieben zu der Gruppe der Plaggenesche. Die dritte Gruppe wurde von 11 systematisch fraglichen Böden gebildet, die nach den auszuarbeitenden Vorgaben klassifiziert werden.
Wegen sehr ähnlicher geologischer, morphologischer, bodenphysikalischer und -chemischer Eigenschaften konnte kein laboranalytisch ermittelbares Merkmal gefunden werden, das alleine betrachtet einen Kartierer in die Lage versetzt, eine sichere Klassifizierung eines fraglichen Profils zu treffen. Ein einfacher Feldtest konnte somit nicht abgeleitet werden. Trotzdem konnten Kombinationen von Laboranalysen in Verbindung mit multivariaten statistischen Verfahren (Diskriminanz- und Clusteranalyse) gefunden werden, die eine Differenzierung der systematisch fraglichen Gruppe erlaubten. Mit Hilfe von einigen durch die statistischen Verfahren errechneten und miteinander veknüpften Analysen-Richtwerten (Cf/Ch, Po, Fep/Feo, Fed/Ton und FU), die aus bodensystematisch klar klassifizierbaren Bodentypengruppen ("Eichproben oder Eichprofile" von echten Plaggeneschen einerseits und andererseits von Podsolen und Braunerden) ermittelt wurden, konnten fünf der elf fraglichen Profile als Plaggenesche identifiziert werden. Die anderen wurden überwiegend den (Acker-) Braunerden oder deren Übergängen zu Pseudogleyen bzw. Gleyen zugeordnet.
Die Auswerlung historischer Karten, Dokumente, Lagerbücher, Flurnamen u.a. stellte bezüglich der Fragestellung über historische Landnutzungsformen eine gute Ergänzung zu den bodenkundlichen Kartier- und Laboruntersuchungen dar. Es konnte in Ubereinstimmung mit verschiedenen anderen Arbeiten (MERTENS, 1971; SCHRAPS, 1984; LIENEMANN & GEBHARDT, 1985a) gezeigt werden, daß kultiviertes Land in historischer Zeit mannigfaltigen anthropogenen Beeinflussungen unterlegen hat. Neben der Plaggenwirtschaft spielten z.B. die mit der Wechselwirtschaft verbundene tiefgründige Bearbeitung und die mit der Melioration der ehemaligen Plaggenabtragsgebiete verbundene Bodenüberdeckung (Bodenauftrag) eine wichtige Rolle. In der Kombination von großmaßstäbigen historischen und jüngeren Karten mit Flurnamen lassen sich mit Plaggendüngung bewirtschaftete alte Ackerflächen leicht von potentiellen Abplaggungsflächen (Heide, Ödland, Wald usw.) unterscheiden. Auch jüngeres, ab dem 20. Jahrhundert umgebrochenes und damit nicht mit Plaggen versehenes Ackerland ist lokalisierbar. Damit ermöglichen historische Karten gemeinsam mit der bodenkundlichen Profilansprache eine genauere Interpretation der Bodengenese und damit der Klassifizierung insbesondere anthropogen beeinflußter Böden.
Die Möglichkeiten, die die weitgehend genetisch orientierte deutsche Bodensystematik (MUCKENHAUSEN, 1977; AG BODENKUNDE, 1985) zur Klassifizierung der anthropogenen Böden einerseits und der unter Ackerkultur stehenden, weitgehend aber noch natürlich belassenen, tiefreichend humosen Böden bietet, sind sehr begrenzt. In Kenntnis der kartiertechnischen Probleme bei der Umsetzung nicht immer funktionaler und systematischer Klassifikationsvorgaben im Gelände wird der praxisgerechte Vorschlag unterbreitet die deutsche Bodensystematik im Bereich der Klasse der Kultosole zu erweitern, wobei zwei Unterklassen gebildet werden, die historische (vor dem industrialisierten 19. Jahrhundert) und junge anthropogene Beeinflussungen trennen.
Für die anthropogen nicht tiefreichend beeinflußten Böden, deren über den Pflughorizont hinausgehender Humusanteil wahrscheinlich durch Podsolierungsvorgänge in diese Tiefen gelangte, ergibt sich ebenfalls eine schwierige systematische Zuordnung. Selbst wenn man die mischende Pflugtätigkeit auf Subvarietätenniveau mit Bezeichnungen wie z.B. Acker-Braunerde zum Ausdruck bringt, bleibt das deutliche Merkmal der tiefreichenden Humosität noch weitgehend unberücksichtigt und ist nicht vergleichbar mit dem der tieflhumosen Böden, die bei MÜCKENHAUSEN (1977) erwähnt sind. Ansatzpunkt kann die auch in MÜCKENHAUSEN (1977) diskutierte Sand-Braunerde sein, die speziell die durch die Textur verursachten Bodenmerkmale berücksichtigen soll.
Aufgrund der weiten Verbreitung des Merkmals der tiefreichenden Humosität bei den sandigen Böden des Untersuchungsgebietes, kommt einer Klärung weiterer Aspekte dieser bodengenetischen Fragestellung eine größere Bedeutung zu. Dazu sollten ergänzende -auch interdisziplinäre- Untersuchungen und Diskussionen stattfinden.